Als Rainer mich vor einiger Zeit fragte, ob ich mir vorstellen könnte, eine Fastenpredigt zum Thema Glauben zu halten, war ich doch einigermaßen perplex. Wie könnte ich es mir anmaßen, vor die Kirchengemeinde zu treten und dort Tipps und Ratschläge zu Gott zu geben. Ausgerechnet ich, die ich im Laufe meines Lebens doch immer wieder mit ihm gehadert habe…
Doch Rainer beruhigte mich und erklärte mir, wie er sich so eine Predigt vorstellte: ich sollte einfach davon erzählen, wie, wodurch und in welcher Form ich schließlich wieder zurück zu meinem Gott gefunden hätte. Und naja, je länger ich darüber nachdachte, umso mehr Sinn machte es, doch noch zuzusagen. Besonders aufgrund der besonderen Erfahrungen während meiner schweren Krebserkrankung und der langen physischen und psychischen Heilungsphase. Vielleicht würde mein Vortrag dem einen oder anderen ja helfen, sich selber und Gott wieder mehr zu vertrauen und insgesamt im Leben mutiger zu werden. Auch wenn das Aufrollen und Aufarbeiten von sehr schwierigen Zeiten meines Lebens damit einhergehen und vermutlich schmerzhaft sein würde. Und so stehe ich nun also vor Ihnen…
Ich beginne jetzt ziemlich weit vorn in meinem Leben. Denn die Frage nach Gott hat mich letztendlich begleitet, soweit ich zurückdenken kann – wie so viele von uns Menschen. Als Kind in Form des täglichen Betens mit meiner Mama beim Zubettgehen und auch beim allwöchentlichen Wochenend-Gottesdienst mit den Eltern. Unsere Messebesuche sah ich als kleines Mädchen übrigens nicht immer als etwas besonders Angenehmes an. Feiner wäre es gewesen, in Ruhe meine Samstagabend- Sendungen im Fernsehen zu schauen. Doch rückblickend haben mir diese fixen religiösen Rituale in meiner Kindheit so etwas wie Stabilität und Rückhalt gegeben. Und ja, ich würde sagen, meine kleinen Gebete von damals waren wichtig und hilfreich für mich: ‚Lieber Gott, Mein Herz ist rein ich bin so klein, möchte immer bei dir sein.‘ ‚Die Eltern auch empfehl ich dir, behüte lieber Gott sie mir.‘ Es war beruhigend zu wissen, dass es außer den Eltern noch eine höhere Kraft gab, die auf mich aufpasste.
Später, in der Pubertät standen dann erstmal andere Interessen im Vordergrund. Meinen Glauben richtig zu hinterfragen, wäre in der Jugendzeit zu anstrengend und fordernd gewesen. Die Kommunikation mit Gott war in dieser Zeit sozusagen auf ein Minimum reduziert und äußerte sich höchstens in dem einen oder anderen gelegentlichen Stoßgebet, wie ‚Bitte hilf mir bei der anstehenden Prüfung.‘
Doch mit der Familiengründung und dem ersten Kind begann ich, auch meinen Glauben zu hinterfragen. Wer sollte in dieser unsicheren Welt auf dieses kleine Geschöpf aufpassen und es durchs Leben begleiten? Gott rückte für mich wieder vermehrt in den Vordergrund. Für mich war klar, dass ich meinen eigenen Kindern ebenso einen Halt geben wollte, wie ich ihn als kleines Mädchen durch das tägliche Beten erlebt hatte.
Bis heute können Lara und Fabio einige kurze Gebetssprüchlein auswendig - so wie ich selber. Es wäre wohl ewig so weitergegangen, hätte es nicht einen furchtbaren Einschnitt in meinem Leben gegeben. Ein Ereignis, das mein Verhältnis zu Gott und letztendlich meinen gesamten Glauben ins Wanken brachte.
Nach einigen schrecklichen Monaten der Behandlung starb meine geliebte Mama an einer heimtückischen Krankheit. Viel zu früh und ohne ihre Enkelkinder richtig kennengelernt zu haben. Damit wurde mir der damals wichtigste Mensch neben Mann und Kindern, mein Lebensmensch sozusagen, von heute auf morgen genommen. Mama war überhaupt für uns alle der Lebensmittelpunkt, der Dreh- und Angelpunkt unserer Großfamilie gewesen.
Wie konnte Gott nur?
Ich war wütend auf ihn und gleichzeitig tieftraurig. Mehr noch, ich würde sagen, ich bin in ein tiefes Loch gefallen, in eine Art Krater, in eine Depression, aus der ich monatelang nicht mehr herauskam. Ich war böse auf diesen Gott, der so etwas zugelassen hatte. Der mir das Liebste einfach so genommen hatte. Und ich bestrafte ihn von da an sozusagen mit Nichtbeachtung. Auch wenn ich spürte, dass mein Urvertrauen, mein Gott noch in irgendeiner Form im Hintergrund da war, ließ ich solche Gedanken gar nicht erst zu. Das Thema Glaube hatte sich für mich ein für allemal erledigt. So dachte ich…
Es wäre wahrscheinlich ewig so weitergegangen, hätte es nicht noch einen weiteren großen Einschnitt in der Mitte meines Lebens gegeben:
Meine eigene schwere Erkrankung. Das war vor ziemlich genau vier Jahren. Aus dem Nichts traf mich eine ganz ähnliche Krebsform wie meine Mama in der Vergangenheit. Es folgten Monate mit Chemotherapie, in denen ich körperlich und auch seelisch immer wieder an meine Grenzen stieß. Von meiner Familie im engeren und weiteren Sinn und ebenso von meinen Freunden wurde ich in dieser Zeit unglaublich unterstützt. Dennoch fühlte ich mich starr vor Angst und innerlich völlig einsam und leer. Die einzelnen Tage zogen sich endlos und qualvoll dahin. Instinktiv spürte ich, dass ich etwas verändern musste. Es dauerte viele Monate, bis ich fühlte, dass es auch seelisch wieder bergauf ging mit mir.
Am meisten halfen mir dabei meine Musik, wenn auch nur passiv durch das Anhören. Außerdem das Strömen. Das ist ein Aktivieren von körpereigener Energie durch Berührungen. Vor allem aber mein Wiederfinden des Glaubens. Ja, ich fand tatsächlich wieder zu Gott. Wenn ich heute zurückblicke erkenne ich, dass das ein schleichender Prozess war. Ich kann sagen: In der größten Hoffnungslosigkeit wandte ich mich automatisch mit Gebeten an ihn. Erst nur gelegentlich und eher stoßgebetsmäßig – so auf die Art: ‚Bitte lass mich doch noch bei meiner Familie bleiben…‘ Mit der Zeit betete ich dann aber immer öfter und intensiver. Ich lernte quasi Schritt für Schritt, mich Gott wieder zuzuwenden und anzunähern. Gleichzeitig wuchs in mir eine besondere Kraft, ich würde sie HOFFNUNG nennen. Irgendwie spürte ich sowohl Mama, die mich wie eine innere Energie begleitete, als auch eine höhere göttliche Kraft, die mich stärkte.
Ein Schlüsselereignis für mich schildere ich in meinem autobiografischen Buch ‚Als ich aufhörte zu funktionieren“. Wir verbrachten im Winter 2020 ein paar Urlaubstage in einem kleinen Tiroler Bergdorf. Ich war von meiner Krankheit noch sehr gezeichnet und tat mir mit körperlicher Anstrengung schwer. Irgendetwas zog mich am zweiten oder dritten Tag dann in die örtliche Barockkirche. Langsam ging ich zum Seitenaltar und zur Figur der Muttergottes mit dem Kind. Eine alte einheimische Frau zündete neben mir gerade eine Kerze an und steckte sie zu den anderen Lebenslichtern. Sie nickte mir freundlich und liebevoll zu. Ihr gütiger Blick drang bis in mein Herz vor. Von da an ging es mir physisch und psychisch besser. Ich fühlte mich befreiter und energiegeladener. Und vor allen Dingen annähernd angstbefreit.
Bis heute grüble ich immer wieder mal über diese besondere Begegnung. Und freue mich darüber.
Ich erkenne heute: es geht nicht immer darum, etwas ganz genau zu wissen. Es geht nicht um die 100 Prozent an totaler Gewissheit. Es geht vielmehr um den Glauben an sich. Auch, wenn Glauben ein nicht-sicher-Wissen bedeutet. Und auch, wenn dieser abstrakt und daher nicht leicht zu greifen ist. Es geht vor allem um den Glauben an die Menschlichkeit und an die Liebe und somit an Gott. Lassen wir dieses Ungewisse zu und in unser Leben hinein. Lassen wir den Glauben an unseren Gott zu. Er gibt uns den nötigen Halt und die Stärke, um dieses Leben auch wirklich zu leben. Und dabei die vielen Möglichkeiten und positiven Aspekte zu sehen. Heute merke ich: noch nie war ich so mutig wie gerade jetzt. Ich traue mich, Dinge zu tun, die mir bis vor kurzem noch unmöglich schienen. Ich mache es jetzt mit Gottvertrauen.
Seien wir mutig…. Trauen wir uns, uns auf die Verbindung mit Gott einzulassen. Dann kann nämlich eine völlig neue Dimension der Hoffnung und Kraft entstehen.
AMEN
Die Fastenpredigt im PDF-Format
Beeindruckt von diesem Buch empfiehlt Pfarrer Rainer Büchel diese Lektüre.
Erhältich bei Tyrolia Buch Götzis.