
1. Fastensonntag
„Was ist ein gutes Leben?“
Ich habe heute die einmalige und nicht wiederkehrende Gelegenheit, zu predigen. Ich möchte das so ähnlich machen wie ich es jeden Sonntag zu Hause beim Frühstückskaffee mache. Statt der Tageszeitung schaue ich mir das Tagesevangelium an und sinniere, ob das wohl mit mir etwas zu tun hat, meistens finde ich dann auch etwas, manchmal auch nicht und so teile ich heute die Gedanken mit euch.
Meine Predigt dauert sieben Minuten, dass ihr euch einstellen könnt.
Meiner Geschichte habe ich die Überschrift gegeben: „Heimweh“
Also die Geschichte beginnt: Da ist ein heimatloser Aramäer – so heißt es in der ersten Lesung – ein Heimatloser, ein Fremdling in Ägypten, ein Umherirrender heißt es in einer anderen Übersetzung. Er hat Glück. Er findet einen Ort, wo er bleiben kann, wo man ihn bleiben lässt, wo er sicher ist, seine Grundbedürfnisse werden gestillt. Er sitzt an den Fleischtöpfen, heißt es – er hat also genug zu essen, er findet eine Frau, er gründet eine Familie, er hat reichlich Nachkommen – aber ganz glücklich ist er nicht. Er fühlt sich unterdrückt, er muss Arbeit erledigen, die nicht seine Arbeit ist, Fronarbeit ist es. Also man kann sagen: Obwohl er scheinbar äußerlich alles hat, bleibt er ein großes Stück innerlich heimatlos, sein inneres Wurren, seine emotionale Unwucht wird immer mehr und mehr, gipfelt schließlich in einem Aufschrei, so groß ist seine Sehnsucht, sein Heimweh nach dem Land, wo Milch und Honig fließen. Milch als Bild für das nährend-bergende Mütterliche, Honig Sinnbild für die Süße des Lebens, die Freude, die Extase. So kommt es wie es kommen muss. Er verlässt seinen Ort, er zieht aus, er sucht sein Glück, will sein Glück finden.
So zog ich aus, um mein Glück zu suchen, schaute mich überall um, was denn so für Lebensentwürfe in der Welt sind. Wo bzw, wie die Menschen leben, die mir glücklich schienen. Wo die Menschen leben, die mich eher nicht inspirieren. Ging auf viele Meditationsretreats, hatte immer sehr gute Vorsätze, aber der Praxis-Alltag wischte alle Illusionen innerhalb von einer halben Stunde immer weg.
Ich besuchte viele Seminare, über den Inhalt möchte ich lieber nicht sprechen, wanderte auf dem Franziskusweg von Florenz nach Rom usw.
So eine Glückssuche schaut für die Außenstehenden, die Familie sehr merkwürdig aus. Den Kindern ist es größtenteils sehr peinlich, sie diagnostizieren eine schwere Midlife-Crisis, mahnen den Vater oder die Mutter zur Vernunft, das Umfeld will den Glückssucher immer wieder zurückbringen an seinen eingesessenen, alten Platz, wo er gut funktioniert. Aber meistens ist es vergebens, einmal aufgebrochen lässt sich so ein Glücksucher schwer aufhalten. Von außen schaut es egoistisch aus, aber es täuscht, Glücksuche ist Gottsuche. Das Volk Israel zeiht durch das Rote Meer, die Hl. Drei Könige folgen einem Stern, Jesus geht in die Wüste, 40 Tage irrt er herum, fastend. Seinen Hunger zu stillen ist wohl die naheliegendste Glückverheißung. Ja sowieso: Essen und Trinken ist Grundvoraussetzung, aber allein für das Glück ist ihm das zu wenig. Ja, dann wäre da noch Macht und Herrlichkeit, Anerkennung, Ruhm und Ehre, lauter guter Dinge. Aber Jesus sieht auch, was daraus entsteht: Unfreiheit und Abhängigkeit. Jesus kommt im Frieden mit sich aus der Wüste heraus, Jesus damals und ich heute predigen, was jeder für sich auf der Glücksuche gefunden hat. Im Grunde haben wir beide ziemlich ähnliches gefunden. Das Glück hat weniger damit zu tun, was ich tue, sondern mehr, wie ich es tue. Es geht mehr um die innere Haltung, mit der ich mir selber, meinen Mitmenschen und dem Leben generell, Gott begegne. Glückselig die Sanftmütigen, sie werden das Land erben. Glückselig die Sanftmütigen, sie werden nach Hause finden, ihnen wird entgegen gewartet. Was Sanftmut ist, insbesondere in meiner alltäglichen Lebenssituation, das gilt es zu ergründen. Schon bin ich am Ende. Ich wünsche uns allen eine seligmachende Pilgerreise durch die Fastenzeit. Danke fürs zuhören.