Von Mai bis September findet jeden Samstag ein Bittgang nach St. Arbogast statt. Seit 1767 werden solche Bittgänge bzw. Prozessionen nach St. Arbogast (jeden Samstag, mit kleineren zeitlichen Unterschieden jeweils von Mai bis September) durchgeführt1).
Was Anlass oder Motivation für die Einführung dieser Bittgänge war, ist (noch) nicht bekannt. 22 Jahre nach der Einführung stand die „St. Arbogast – Prozession“ bereits knapp vor der Auflösung.
Im Zuge der „Josephinischen Maßnahmen“ wurde die St. Arbogast-Kapelle gesperrt und die Prozession sollte somit entfallen. Die Götzner fanden sich mit der Sperrung nicht ab und leisteten Widerstand. Wie im Götzner Heimatbuch nachzulesen ist, wurden die Beamten, die zum Gehorsam aufrufen sollten, „mit Steinwürfen und Handgreiflichkeiten“ bedroht. Bereits im nächsten Jahr(1790) war es wieder gestattet, die St-Arbogast-Kapelle zu benutzen. Auch die Prozession war somit gerettet2).
Prozessionen und Bittgänge, wie alle religiösen Ausdrucksformen, sind geprägt von den jeweiligen gesellschaftlichen Zuständen. So etwa auch in der Nazizeit. Auf dem Foto aus dem Jahre 1940 sieht man eine St. Arbogast-Prozession an „Christi Himmelfahrt“. In der Woche vor Christi Himmelfahrt, der sogenannten „Kreuzwoche“, fanden zusätzlich jeweils am Montag, Dienstag und Mittwoch Morgen Bittgänge zu Kirchen der Nachbargemeinden statt. Diese Bitttage wurden erst in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts abgeschafft. Einer der Gründe dürfte der zunehmende Straßenverkehr gewesen sein. Seither wird noch regelmäßig an Christi Himmelfahrt eine Wallfahrt nach Rankweil durchgeführt3).
In der Zeit der Nazidiktatur waren kirchliche Feierlichkeiten zwar stumme, aber eindrucksvolle Demonstrationen gegen das Naziregime. Wer in der Nazizeit vorwärtskommen wollte, ließ sich nicht mehr in der Kirche blicken4).
Das „Fahnentragen“ bei einer Prozession in der Nazizeit war somit mehr als nur ein religiöser Akt. Der Fahnenträger auf dem Bild, Georg Dünser, musste bald nach der Aufnahme des Fotos einrücken. Nach Auskunft seines heute einundachzigjährigen Bruders nicht zuletzt deshalb, weil er von einem anderen diese Funktion des Fahnenträgers übernommen hatte. Er kam von Russland nicht mehr zurück5).
In unserer Zeit sind die verschiedenen Lebensbereiche nicht mehr in diesem Ausmaß mit Kirche und Glauben verbunden, wie es ältere Menschen noch erlebt haben. Kirchenleute stellen sich sogar die Frage, wie das „Christentum überleben kann?“ Theologen, wie z. B. der große Karl Rahner, sehen den zukünftigen Christen vor allem als einen „Mystiker“. Routinemäßige Aktionen, trockene Sitzungen und pastorale Pläne sind alles Dinge, die offensichtlich notwendig sind, um „die Kirche“ am Laufen zu halten. Sie sind aber nicht das, was Menschen heute suchen. Viel wichtiger dürfte in der Hektik von heute das Suchen nach Antworten auf die wirklich wichtigen Fragen sein: Was hält mich aufrecht? Was gibt mir Kraft? Wie kann ich Gott spüren? Dieser Sinn für das Innere; das Wissen, dass Gott in der Schöpfung und somit auch in mir gegenwärtig ist: das sind Erfahrungen, die jener Mensch machen kann, der sich buchstäblich auf den Weg macht, gemeinsam auf den Weg macht, auch und gerade nach St. Arbogast, am Samstag in der Früh, damit einem mit dem Licht des Tages auch ein inneres Licht aufgeht. Der Bittgang nach St. Arbogast ist ein Angebot, Gott „mit allen Sinnen zu erspüren“.
Manfred Dünser
Kontakt Mai 2002
Anmerkungen
1) In der Nachkriegszeit sind „kleinere zeitliche Unterbrüche“ belegbar. Auskunft Hugo Böckle und Götzner Pfarrblatt.
2) Walter Fehle (Hrsg.), Götzner Heimatbuch. 1988. 1. Teil, S 312–S 315.
3) Auskünfte Hugo Böckle, Walter Fehle. Götzner Pfarrblatt 1961- 1965.
4) Elmar Mayer, Heimat unter Hitlerfahnen. 1988. S 46 u. S 51.
5) Gespräch mit Johann Dünser