Ganz vorne auf der Männerseite befindet sich das Fenster mit dem Evangelisten „Matthäus“. Es ist mit kräftigen Farben ausgestattet.
Im Gegensatz zum blauen Fenster des Johannes gegenüber, hat mich das rote Matthäus – Fenster, gerade als Kind, unmittelbarer angesprochen. Es könnte natürlich die räumliche Nähe gewesen sein, ich saß immer auf der Männerseite. Oder aber es war das kräftige „königliche Matthäusrot“, das Kinderphantasien vielleicht stärker anspricht als das „mystische Johannesblau“. Heute ergänzen sich für mich die beiden „Frontfenster“: Das Johannes - Bild scheint mir eher für einen intellektuellen (und damit sehr spannenden geistlichen und geistigen) Zugang zum christlichen Glauben zu stehen, das Matthäus – Fenster hingegen hat eine geradezu kosmische Ausstrahlung.
Matthäus will keine Paragraphen und auch keine Ideologie aufstellen. Er erzählt die Geschichte eines Mannes, der die Liebe verkündet und gelebt hat. Schon am Anfang wird deutlich gesagt, dass Jesus der Messias, der Sohn Davids sei. Mit der Geschichte von der Flucht nach Ägypten wird darauf hingewiesen, dass es einen heilsgeschichtlichen Zusammenhang zwischen Jesus und Moses gibt. Jesus interpretiert, erstmals seit Mose, mit unerhörter Autorität das Gesetz Jahwes. Um Matthäus richtig zu verstehen , muss man somit auch das Weltbild des Alten Bundes beachten. Die Israeliten hatten ganz konkrete Hoffnungen. Ihre Vorstellungen vom Reich Gottes beinhalteten, und beinhalten heute noch, Freiheit, Gerechtigkeit, Frieden und Zusammensein mit Gott. Wenn wir glauben, dass Jesus der Messias ist, dann muss von diesen messianischen Zuständen auch jetzt schon etwas spürbar werden. Nicht nur in unserem Inneren, sondern auch in den gesellschaftlichen Strukturen und Zuständen.
Zwei Fenster, zwei Aspekte des Glaubens. Die Fenster ganz vorne sind nicht nur eine Mahnung an den Prediger , keinen der beiden zu vernachlässigen, sondern sie halten diese Gesichtspunkte auch uns vor Augen: „ das Wort“ und „ das Reich Gottes“, Spiritualität und Nächstenliebe, Mystik und Politik. Beide müssen, so Karl Rahner, eine Einheit bilden, wenn das Christentum überleben will. Die beiden vorderen Fenster, das blaue und das rote, sie stehen für diese Einheit!
Manfred Dünser
Die Bilder der Kirchenfenster wurden von Bernhard Häusle zur Verfügung gestellt.
Fotoaufnahmen © 2009 by Bernhard Häusle
http://www.martin-haeusle.de